SAH Zentralschweiz

Mary's Seitensprung

Erlebnisbericht von Mary Stucki, nolax

Es ist Montagmorgen um 08.00, ich melde mich beim Schweizerischen Arbeiterhilfswerk SAH.
Habe ich mich verlaufen?  NEIN! Ich möchte mal in den Alltag von Menschen schauen, mit denen wir zusammenleben und doch oft an ihnen vorbei. Es sind Flüchtlinge, vorläufig Aufgenommene und Langzeitarbeitslose, die von der Sozialhilfe leben. Aber mich interessiert auch der Alltag der Betreuer. Einer dieser Betreuer ist Pirmin Amrein. Als Leiter Bildung und Integration des Bereiches "Migration Co-Opera” unterrichtet er im Bewerbungskurs und coacht beim Eintritt in den Arbeitsmarkt.

Zuerst erklärt er mir und den beiden anderen «Seitensprung-Gästen» wie die SAH und insbesondere "Migration Co-Opera" aufgebaut ist.  Ich lerne einiges über den Asylprozess in der Schweiz! Danach beginnt der Unterricht. Die acht Anwesenden stellen sich kurz mit Namen, Herkunft und Wohnort vor. Wir Gäste auch - mit mir haben sich zwei Deutschlehrerinnen für den Seitensprungtag gemeldet. Zwei Damen aus Sri Lanka, ein Herr aus Afghanistan und fünf Eritreer sprechen mehr oder weniger gut Deutsch. Manchmal habe ich Mühe, sie zu verstehen. Das geht ihnen genauso! Sie erhalten von Pirmin vier Stunden lang Informationen, wie man sich auf ein Bewerbungsgespräch vorbereitet. Pirmin zeigt viel Geduld und spricht in möglichst einfachen Worten. Die Teilnehmer beteiligen sich engagiert am Unterricht. Ich kann auch den einen oder anderen Beitrag leisten. Dazu ist zu sagen, dass sich wohl auch nicht jeder Schweizer so tief mit den Details eines guten Bewerbungsgespräches auseinandersetzt.  Und ich sehe, dass es noch Hellraumprojektoren im Einsatz gibt! So gerüstet und mit Praxis zum Thema Bewerbungsschreiben sowie telefonische Bewerbung, machen sich die Teilnehmer auf die Suche nach einem Arbeits- oder Praktikumsplatz.

Es ist nicht einfach am Rande einer fremden Gesellschaft! Bereits ein ÖV Ticket liegt kaum im Budget, geschweige denn eine repräsentable Schreibmappe, die zum Bewerbungsgespräch empfohlen wird. Da muss eine Tasche oder ein Rucksack reichen.  Und das Handy sollte nicht nur Schmuckstück sein, sondern auch genug Guthaben geladen haben, um gegebenfalls telefonisch kontaktiert zu werden.

Ein Gespräch mit einem Teilnehmer hat mich tief getroffen: sein Engagement eine Arbeit zu finden, und die Angst vor der Zukunft erzeugen ein starkes Spannungsfeld. Am Nachmittag wird er sich für eine zweijährige Ausbildung zum Pflegeassistent bewerben: ich drücke ihm die Daumen!

Für mich heisst es am Nachmittag ab in den Garten! Der SAH gehören zwei Gärten. Einer am Sitz der "Migration Co-Opera" am Reussport 2, der andere beim Kloster Wesemlin. Die Gruppe, die ich jetzt begleite, besteht aus neun Männern und drei Frauen. Wir fahren zum Kloster, wo uns Ladis, der Chef, erklärt, welches Unkraut wir zu jäten haben. Seit wir wissen, was wir zu tun haben, regnet es. Unerlässlich werden Stangenbohnen, Räben, und anderes Gemüse vom Unkraut befreit. Man plaudert oder schweigt. Ich bin die Einzige, die eine Regenjacke trägt. Als alle bis auf die Haut nass sind, wechseln wir an geschützte Tische, wo wir für das Kloster Baumnüsse knacken. Da kommen auch lockere Diskussionen über Afrika und länderspezifisches Essen auf - ein Thema das immer interessiert. Ich verlasse die Gruppe und studiere über eine weitere Geschichte nach, die mir anvertraut worden ist. Eine Schweizerin, die nach langer Krankheit von der Sozialhilfe lebt und sich nichts mehr wünscht, als wieder einen Job zu finden.